April 23, 2021 | Köln, Deutschland

Impfschäden – Begriffsbestimmung und haftungstechnische Grundlagen

Markus Schäfer, Head of Liability and Clinical Trials, Newline Europe Versicherung AG

Die aktuell laufende flächendeckende Corona-Schutzimpfung ist nachvollziehbarerweise in aller Munde und in der Geschichte Deutschlands, aber auch vieler anderer Länder, beispiellos. Was aber geschieht, falls ein Patient dabei eine schwerwiegende und/oder dauerhafte Schädigung erleidet? Wer haftet wie und auf welcher Basis?

Um sich dieser Fragestellung zu nähern, muss zunächst definiert werden, was genau ein Impfschaden eigentlich ist. Hier hilft das Infektionsschutzgesetz (IfSG), das in §2, Satz 11 definiert, dass ein Impfschaden „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“ ist. Eine vorübergehende Infektion oder die berühmte Rötung rund um die Einstichstelle ist für sich also aller Wahrscheinlichkeit nach kein Impfschaden, eine über dieses Maß hinausgehende körperliche Schädigung allerdings schon.

Wer haftet nun für eventuell auftretende gesundheitliche Schädigungen? Bei der Beantwortung dieser Frage soll die vertragliche und deliktische Haftung des ärztlichen oder nicht-ärztlichen Personals, das die Impfung vornimmt, außen vor bleiben, ebenso wie mögliche Haftungserleichterungen, die den Impfstoffherstellern ggf. im Einzelfall durch die EU bzw. die jeweiligen Abnehmerländer zugesichert worden sein sollen.

Im Rahmen der Produkthaftung und einer möglichen verschuldensunabhängigen Haftung gilt es für die Situation in Deutschland zunächst zwei mögliche Anspruchsgrundlagen zu beleuchten:

a)  Nach dem Arzneimittelgesetz (AMG)

Nach dem AMG gilt für Arzneimittel, auch für Corona-Impfstoffe, die in § 84 AMG definierte Haftung, wonach für Nebenwirkungen, die „über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen“, eine Schadenersatzpflicht des Herstellers. Die Haftung ist hierbei auf 600.000 EUR je geschädigter Person bzw. 120.000.000 EUR für alle Geschädigten im Falle eines Serienschadens begrenzt. Nach § 92 AMG ist es interessanterweise nicht zulässig, diese Haftung per se auszuschließen, selbst entsprechende Zusicherungen der Patienten sind als nichtig anzusehen. Eine Ausnahme hiervon besteht aktuell auf Basis der MedBVSV, solange die Corona-Impfstoffe ausschließlich über die Regierung bezogen und nicht klassisch kommerziell vermarktet werden (die Pflicht zur Deckungsvorsorge ist momentan bis auf weiteres ausgesetzt)

Allerdings: In der herrschenden Rechtsprechung ist es allgemeiner Konsens, dass bekannte Nebenwirkungen vertretbar sind, wenn das Arzneimittel zugelassen ist und insofern mögliche Nebenwirkungen vor dem Hintergrund der Nutzen-Risiko-Bewertung als akzeptabel angesehen werden können. Spätestens mit Aufnahme bekannter Nebenwirkungen (wie z. B. dem Risiko von Thrombosen bei einem der bereits zugelassenen Impfstoffe) im Beipackzettel dürfte kaum noch Raum für eine Schadenersatzpflicht des Herstellers bleiben.

Trotz dieser relativ hohen Hürde bleiben Patienten allerdings nicht schutzlos zurück, denn es verbleibt noch die Möglichkeit:

b)  Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Nach dem IfSG, §60 (i. V. mit dem Bundesversorgungsgesetz) und § 61 besteht für Patienten ein Versorgungsanspruch gegen den Staat, soweit die betreffende Impfung von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde. Corona-Impfungen in Impfzentren stellen insoweit aller Voraussicht nach eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Sinne des IfSG dar und dürften damit als hoheitliche Aufgabe eingeordnet werden. In diesem Fall greift die Staatshaftung, die verschuldensunabhängig gilt und nicht verjährt, zudem muss der stichhaltige Beweis nicht unbedingt geführt werden, es genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsschädigung.

Diese sozialrechtlichen Ansprüche auf Versorgung bestehen regelmäßig aus Heilbehandlungskosten, Krankenbehandlungen und Renten. Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche allerdings fallen nicht hierunter.

Markus Schäfer
Head of Liability and Clinical Trials
Newline Europe Versicherung AG
mschaefer@newlinegroup.de

 

 

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